Trauma verstehen: Was passiert im Gehirn und Körper?
- Leif Morten Lienau
- 28. Jan.
- 2 Min. Lesezeit
Aktualisiert: vor 4 Tagen
Traumatische Erfahrungen können das Leben tiefgreifend verändern – nicht nur emotional, sondern auch auf körperlicher und neurologischer Ebene. Doch was genau passiert bei einem Trauma im Gehirn und Körper? Und warum können bestimmte Symptome noch lange nach dem Ereignis bestehen bleiben? In diesem Beitrag möchten wir das Thema verständlich und achtsam beleuchten.
Was ist ein Trauma?
Ein Trauma entsteht, wenn eine Person ein extrem belastendes Ereignis erlebt, das ihre Bewältigungsmechanismen überfordert. Das kann ein Unfall, Gewalt, ein plötzlicher Verlust, Missbrauch oder auch emotionale Vernachlässigung sein. Entscheidend ist nicht nur das Ereignis selbst, sondern wie es individuell erlebt und verarbeitet wird.
Was passiert im Gehirn bei einem Trauma?
🧠 Das Gehirn im Alarmmodus
Wenn ein Mensch in eine potenziell lebensbedrohliche Situation gerät, wird das sogenannte Stress- oder Alarmsystem im Gehirn aktiviert – insbesondere die Amygdala (Mandelkern), die für die Verarbeitung von Angst und Gefahr zuständig ist.
Die Amygdala erkennt Gefahr und schlägt Alarm.
Der Hypothalamus aktiviert den Körper: Herzschlag, Atmung und Muskelspannung steigen.
Die HPA-Achse (Hypothalamus-Hypophysen-Nebennieren-Achse) setzt Stresshormone wie Cortisol frei.
Gleichzeitig wird der präfrontale Kortex – der Teil des Gehirns, der für logisches Denken und Entscheidungsfindung zuständig ist – heruntergefahren. Das bedeutet: Der Körper reagiert reflexartig mit Flucht, Kampf oder Erstarren, ohne dass wir bewusst darüber nachdenken.
Was passiert im Körper?
Der Körper befindet sich in einem hochaktivierten Zustand, um zu überleben. Diese Reaktionen sind in akuten Situationen hilfreich – aber wenn sie „stecken bleiben“, kann es langfristig zu Problemen kommen:
Anspannung und ständige Wachsamkeit
Schlafstörungen
Körperliche Beschwerden wie Schmerzen oder Magen-Darm-Probleme
Flashbacks oder das Gefühl, das Erlebnis sei noch gegenwärtig
Das Nervensystem bleibt oft in einem Zustand der Übererregung oder Erschöpfung – auch lange nach dem traumatischen Ereignis.
Warum lässt uns das Trauma nicht los?
Bei einer „normalen“ Erinnerung können wir sie in unser Leben einordnen: Wir wissen, dass etwas passiert ist – aber wir fühlen es nicht ständig erneut.
Bei traumatischen Erinnerungen ist das anders: Die Erlebnisse werden oft nicht im sprachlichen, bewussten Gedächtnis abgespeichert, sondern im emotionalen und körperlichen Gedächtnis. Das bedeutet, dass bestimmte Reize (z. B. ein Geruch oder Geräusch) starke körperliche und emotionale Reaktionen auslösen können – auch wenn das Ereignis längst vorbei ist.
Wege der Heilung
Die gute Nachricht ist: Traumafolgen sind behandelbar. Durch Psychotherapie – insbesondere traumaspezifische Ansätze wie EMDR, Somatic Experiencing oder Traumafokussierte Verhaltenstherapie – kann das Nervensystem wieder reguliert werden.
In der Therapie lernen Betroffene:
Die Reaktionen ihres Körpers besser zu verstehen
Sich zu stabilisieren und Sicherheit zu empfinden
Traumatische Erlebnisse schrittweise zu verarbeiten
Fazit
Ein Trauma ist keine Schwäche, sondern eine natürliche Reaktion auf eine überwältigende Situation. Zu verstehen, was im Gehirn und Körper passiert, kann ein erster, wichtiger Schritt zur Heilung sein.
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